EU-Kommission – Führerschein Richtlinendiskussion

EU-Kommission legt Maßnahmenpaket zu der Reduktion von Straßenverkehrstoten bis 2050 und der Einführung eines digitalen Führerscheins vor. Sogenanntes Road Safety Package enthält Vorschläge zur Modernisierung der Führerscheinrichtlinie. TÜV-Verband und DEKRA verfassen gemeinsame Stellungnahme.

Die EU-Kommission hat mit dem Road Safety Package Vorschläge zur Modernisierung der Führerscheinvorschriften vorgelegt. Mit den neuen Vorschriften will die Kommission dem Ziel „Null Straßenverkehrstote“ bis 2050 näher kommen. Außerdem sollen Autofahrer:innen besser auf emissionsfreie Fahrzeuge und auf das Fahren in der Stadt vorbereitet werden. Darüber hinaus plant die Kommission die Einführung eines EU-weit gültigen digitalen Führerscheins. Die Pläne der EU-Kommission kommentiert Marc-Philipp Waschke, Referent Verkehrssicherheit, Fahrerlaubnis und Fahreignung beim TÜV-Verband:

„Grundsätzlich begrüßen wir die Vorschläge der Kommission zur Überarbeitung der EU-Führerscheinrichtlinie, einschließlich der Einführung eines unionsweit gültigen digitalen Führerscheins sehr. Das Road Safety Package hat das Potenzial, die Zahl der Verkehrstoten in Europa endlich nachhaltig im Sinne der Vision Zero zu reduzieren. Bei jährlich mehr als 20.000 Menschen auf europäischen Straßen sollte das oberste Priorität sein.“

„Viele der Maßnahmen, die nun EU-weit eingeführt werden sollen, sind in Deutschland bereits Praxis. Die Maßnahmen haben sich in Deutschland bewährt und konnten das Fahranfängerrisiko In den letzten zehn Jahren senken. Beispielsweise durch das Begleitete Fahren mit 17, die Optimierungen der theoretischen und praktischen Fahrerlaubnisprüfung und die Ausbildung im kompetenten Umgang mit Fahrerassistenzsystemen in der Fahrerlaubnisprüfung. Wir unterstützen die EU-Kommission bei den Plänen für eine europaweite Einführung.“

Einführung eines digitalen Führerscheins

„Erstrebenswert ist auch die schnelle Einführung eines EU-weit gültigen digitalen Führerschein. Die Bürger:innen sollen in ihrem täglichen Leben von den Vorteilen der europäischen Gemeinschaft profitieren. Eine digitale Lösung muss aber robust und im Blick auf Datenschutz und Datensicherheit belastbar sein. Als TÜV-Verband arbeiten wir mit unseren Mitgliedern bereits an einer Möglichkeit, nach bestandener Prüfung einen digitalen Nachweis der Fahrberechtigung zu erstellen. Diese könnte bereits im Vorgriff des EU-weiten digitalen Führerscheins zeitnah umgesetzt werden.“

„Essenziell bleibt, dass die Fahrerlaubnisprüfung nicht dem Wettbewerb preisgegeben wird, um das hohe Qualitätsniveau auch in Zukunft zu sichern. Die EU-Kommission geht hier mit. Für die Akzeptanz und das Vertrauen in die Prüfung bestätigt die EU-Kommission ebenfalls den Trennungsgrundsatz Ausbildung und Prüfung. Das heißt auch in Zukunft, wer ausbildet, prüft nicht und wer prüft, bildet nicht aus. Für den Erhalt und die weitere Verbesserung der Verkehrssicherheit sind dies wichtige Punkte.“

Fahrerlaubnisprüfung nicht am Wohnort

Der neue Vorschlag der Kommission ermöglicht es, die Fahrerlaubnisprüfung innerhalb der EU nicht im Land seines Wohnortes abzulegen, wenn die dortige Amtssprache nicht beherrscht wird. In Zukunft könnte der Führerschein von dem Mitgliedstaat ausgestellt werden, dessen Staatsangehörigkeit der Bewerber besitzt, wenn die Prüfung im Land des ordentlichen Wohnsitzes nicht in einer der Amtssprachen des Landes angeboten wird, dessen Staatsangehörigkeit der Prüfling besitzt. Marc-Philipp Waschke sagt dazu:

 „Wir sehen die Pläne der EU-Kommission kritisch, die Fahrerlaubnisprüfung innerhalb der EU nicht im Land seines Wohnortes ablegen zu müssen. Nach Ansicht des TÜV-Verbands sollten Fahrerlaubnisbewerber die Praktische Prüfung grundsätzlich wohnortnah ablegen. Damit wird gewährleistet, dass die Bewerber:innen ihre Fahrkompetenzen insbesondere im Straßenverkehrsgeschehen ihres Lebensumfeldes unter Beachtung regionaler Besonderheiten in Infrastruktur und Verkehrsdichte nachweisen. Dort werden sie in aller Regel auch ausgebildet. Die neue Möglichkeit umgeht dieses Prinzip und kann das ohnehin hohe Fahranfängerrisiko steigern. Ein solches Verfahren wäre aus unserer Sicht nur bei gegenseitiger Anerkennung zwischen den betroffenen Mitgliedsstaaten durchführbar.“

 

Feedbackfahrten für ältere Fahrerlaubnisinhaber:innen

„Ältere Fahrzeugführer spielen als Unfallverursacher in der Unfallstatistik bisher nur eine untergeordnete Rolle. Daher ist die von der EU-Kommission vorgesehene generelle verpflichtende Überprüfung der Fahreignung im Alter – ohne Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für Defizite zu Fahrkompetenz und Fahreignung – aus Sicht des TÜV-Verbandes nicht zwangsläufig erforderlich.“

 „Um die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu gewährleisten, müssen ältere Menschen für eine sichere Teilnahme am Verkehrsgeschehen intensiv in Bezug auf ihre Leistungsfähigkeit hinsichtlich Fahrkompetenz und Fahreignung aufgeklärt werden. Gleichwohl muss der Blick auf die Entwicklung der Unfallzahlen gerichtet bleiben, denn in den Unfallstatistiken ist das Unfallgeschehen für Fahrzeugführer ab dem 75. Lebensjahr auffällig. Wir begrüßen und empfehlen daher, dass die EU-Mitgliedsstaaten für Fahrerlaubnisinhaber ab 75 Jahre geeignete Maßnahmen ergreifen und rechtliche Rahmen schaffen, um regelmäßige Feedbackfahrten anbieten zu können. Im Rahmen dieser Feedbackfahrten würden Experten die Fahrkompetenz der Senioren feststellen und notwendige Potenziale zur Wiederherstellung der Fahrfähigkeiten zurückmelden – im Bedarfsfall würde auch eine Rückmeldung zur individuellen Fahreignung erfolgen.“

Über den TÜV-Verband: Der TÜV-Verband e.V. vertritt die politischen Interessen der TÜV-Prüforganisationen und fördert den fachlichen Austausch seiner Mitglieder. Er setzt sich für die technische und digitale Sicherheit sowie die Nachhaltigkeit von Produkten, Anlagen und Dienstleistungen ein. Grundlage dafür sind allgemeingültige Standards, unabhängige Prüfungen und qualifizierte Weiterbildung. Ziel ist es, das hohe Niveau der technischen Sicherheit zu wahren, Vertrauen in die digitale Welt zu schaffen und die allgemeine Lebensgrundlage zu erhalten. Dafür wird im regelmäßigen Austausch mit Politik, Behörden, Medien, Unternehmen und Verbraucher:innen geführt.

Fahrerlaubnissystem der Technischen Prüfstellen

Im Jahr 2022 sind in Deutschland 1,76 Millionen praktische Prüfungen und 1,81 Millionen theoretische Prüfungen für den Führerschein abgelegt worden. Das Fahrerlaubnissystem bei den Technischen Prüfstellen bewährt sich bei Vollauslastung der Prüfkapazitäten. Hohe Durchfallquoten belasten Fahrschüler:innen. TÜV-Verband: „Verkehrserziehung junger Menschen frühzeitig beginnen und gesamtheitlich verbessern.“

Fahrerlaubnissystem

Die Zahl der Fahrerlaubnisprüfungen hat in Deutschland einen neuen Höchstwert erreicht. Im Jahr 2022 sind 1,76 Millionen praktische Fahrerlaubnisprüfungen für Führerscheine aller Klassen durchgeführt worden. Das sind rund 110.000 Prüfungen oder 6,7 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Der bisherige Spitzenwert von 1,74 Millionen Prüfungen des Jahres 2019 wurde um rund 20.000 praktische Prüfungen übertroffen. Das zeigen aktuelle Daten des TÜV-Verbands auf der Grundlage von Erhebungen der TÜV | DEKRA arge tp 21. „Die Prüfstellen haben im Jahr 2022 so viele praktische Fahrprüfungen abgenommen wie noch nie“, sagt Richard Goebelt, Mitglied der Geschäftsleitung im TÜV-Verband e.V. Den Angaben zufolge haben Fahrschüler:innen im Jahr 2022 darüber hinaus 1,81 Millionen theoretische Prüfungen abgelegt, ein Zuwachs von rund 91.000 im Vergleich zum Vorjahr (plus 5,3 Prozent). Goebelt: „Das Fahrerlaubnisprüfungssystem hat seine Leistungsfähigkeit auch bei voller Auslastung der Prüfkapazitäten und unter erschwerten Corona-Bedingungen wie hohen Krankenständen und langen Isolationspflichten bewiesen.“ In Deutschland könnten Fahrschüler:innen wohnortnah ihre Prüfungen zu bundesweit einheitlichen Gebühren ablegen. Dr. Roland Krause, Leiter der Technischen Prüfstelle für den Kraftfahrzeugverkehr beim DEKRA e.V. Dresden, ergänzt: „Die Prüfstellen von TÜV und DEKRA sorgen im staatlichen Auftrag mit ihren Sachverständigen für eine unabhängige Feststellung des Prüfungsergebnisses und für ein hohes Qualitätsniveau.“

Beauftragung der Technischen Prüfstellen

Die Grundlage des heutigen Fahrerlaubnisprüfungssystems ist die alleinige Beauftragung der Technischen Prüfstellen durch die Länder sowie die persönliche Anerkennung der Sachverständigen durch die obersten Landesbehörden. „Die Länder machen zudem Vorgaben zu einem flächendeckenden Angebot an Prüforten und überwachen die Prüfstellen zum Beispiel mit Hilfe regelmäßiger Audits der Bundesanstalt für Straßenwesen“, erläutert Krause. „Angesichts des immer komplexer werdenden Verkehrsgeschehens, technischer Neuerungen und wissenschaftlichen Evaluierungen sind die Prüfungen inhaltlich und konzeptionell immer weiter verbessert worden.“ Die Theorieprüfungen laufen inzwischen komplett digital ab, was eine realistische Darstellung komplexer Verkehrssituationen ermöglicht. In der praktischen Prüfung gibt es neben neuen Fahraufgaben und deren Bewertungskriterien heute ein elektronisches Prüfprotokoll und ein Feedbackgespräch im Anschluss an die Prüfung. „In Deutschland bekommt nur einen Führerschein, wer in den Verkehrs- und Verhaltensregeln im Straßenverkehr sattelfest ist und ein Fahrzeug wirklich beherrscht“, betont Krause. Das hat dazu beigetragen, dass immer weniger der besonders gefährdeten Fahranfänger:innen verunglücken: Die Zahl der bei Verkehrsunfällen getöteten 18- bis 24-Jährigen ist von 2.749 im Jahr 1991 auf 326 im Jahr 2020 gesunken.

Steigende Durchfallquoten sind eine Belastung

Auffällig sind die zum Teil weiter steigenden Durchfallquoten. Den Daten zufolge sind im Jahr 2022 in der theoretischen Prüfung über alle Fahrerlaubnisklassen 39 Prozent der Fahrschüler:innen durchgefallen. Das sind 2 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr und sogar 10 Punkte mehr als im Jahr 2013, in dem 29 Prozent nicht bestanden haben. In der praktischen Prüfung der gesamten Führerscheinklasse B für Pkw inklusive Führerschein mit 17 (BF17) lag die Durchfallquote im Jahr 2022 wie im Vorjahr bei 37 Prozent. Zehn Jahre zuvor lag sie 2013 noch bei 32 Prozent. Betrachtet man nur die Führerscheinklasse B ohne BF17, in der die mit Abstand meisten Prüfungen abgelegt werden, lag die Durchfallquote im Jahr 2022 sogar bei 43 Prozent (2021: 43 Prozent). Ursache für die höhere Quote ist, dass ältere Fahrschüler:innen in der praktischen Prüfung grundsätzlich schlechter abschneiden als jüngere. „Jede nicht bestandene Prüfung belastet die Fahrschülerinnen und Fahrschüler mental und finanziell“, sagt Goebelt. Die Gründe für die steigenden Durchfallquoten seien vielfältig und müssten weiter untersucht werden. Eine zentrale Ursache ist aus Sicht der Prüforganisationen der komplexer und dichter werdende Straßenverkehr mit immer mehr Fahrzeugen und den sich daraus ergebenden Folgen. Goebelt: „Wenn wir den Trend umkehren wollen, brauchen wir eine bessere Verkehrserziehung in den Schulen und Elternhäusern sowie eine weitere Stärkung der Fahrausbildung.“

Über den TÜV-Verband:

Der TÜV-Verband e.V. vertritt die politischen Interessen der TÜV-Prüforganisationen und fördert den fachlichen Austausch seiner Mitglieder. Er setzt sich für die technische und digitale Sicherheit sowie die Nachhaltigkeit von Fahrzeugen, Produkten, Anlagen und Dienstleistungen ein. Grundlage dafür sind allgemeingültige Standards, unabhängige Prüfungen und qualifizierte Weiterbildung. Ziel ist es, das hohe Niveau der technischen Sicherheit zu wahren, Vertrauen in die digitale Welt zu schaffen und Lebensgrundlagen zu erhalten. Dafür ist er in regelmäßigen Austausch mit Politik, Behörden, Medien, Unternehmen und Verbraucher:innen.

Über den DEKRA e.V. :

Seit fast 100 Jahren arbeitet DEKRA für die Sicherheit: Aus dem 1925 in Berlin gegründeten Deutschen Kraftfahrzeug-Überwachungs-Verein e.V. ist eine der weltweit führenden Expertenorganisationen geworden. Mehr als 48.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Stand 30.9.2022) sind in rund 60 Ländern auf allen fünf Kontinenten im Einsatz. Mit qualifizierten und unabhängigen Expertendienstleistungen arbeiten sie für die Sicherheit im Verkehr, bei der Arbeit und zu Hause. Das Portfolio reicht von Fahrzeug- und Fahr-erlaubnisprüfungen über Gutachten, Schadenregulierung, Industrie- und Bauprüfung, Sicherheitsberatung sowie die Prüfung und Zertifizierung von Produkten und Systemen bis zu Schulungsangeboten und Zeitarbeit. Die Vision bis zum 100. Geburtstag im Jahr 2025 lautet: DEKRA wird der globale Partner für eine sichere und nachhaltige Welt. DEKRA gehört schon heute mit dem Platinum-Rating von EcoVadis zu den Top-1-Prozent der nachhaltigen Unternehmen im Ranking.

Quelle: TÜV-Verband e.V.

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Aus der Business-ON Stuttgart Redaktion:

Warum kommt es zu steigenden Durchfallquoten??

Befragt man Fahrlehrer und Fahrschulinhaber zu dem Thema, lässt sich aus der Praxis die steigende Durchfallquote durchaus erklären. Durch Anhebung der Prüfungszeiten um zehn Minuten wird die Anspannung des Fahrschülers deutlich mehr sichtbar. An den Prüfling werden in der praktischen Prüfung, durch Einbindung der Fahrassistenten, weitere Anforderungen gestellt. Längere Prüfzeit bedeutet bei der nervlichen Anspannung einfach mehr Zeit für Fehler. Erfahrungsgemäß lässt meistens nach ca. fünfundvierzig Minuten die Konzentration der Prüflinge deutlich nach. Dies führt oft zu kritischen Fahrfehlern in den letzten Minuten der Fahrprüfung. Ergebnis: Durchgefallen…
Ein weiterer, spürbarer Faktor war die Einführung der Tabletts bei den praktischen Prüfungen. Einige Prüfer arbeiten seitdem mehr nach „Haken setzen“ als nach dem Gesamteindruck zum Prüfling.  Direkt nach der Anhebung der Prüfzeiten sowie der Einführung „Prüfungsführung  mit Tablett“ hatten die Fahrschulen mit deutlich höheren Durchfallquoten zu kämpfen.

Worin soll eine Stärkung der Fahrausbildung bestehen? Der Durchschnitt in den praktischen Ausbildungsstunden steigt, die finanzielle Belastung der Fahrschüler ist bereits enorm. Fahrschulen die ihr Augenmerk auf eine qualitativ hochwertige Ausbildung legen, melden den Fahrschüler erst an, wenn dieser zur Prüfung bereit ist.

Darüber hinaus hat das Fahrerlaubnisprüfungssystem seine Leistungs-fähigkeit sicherlich nicht bewiesen. Hohe Wartezeiten, erschwerter Zugang zu Prüfterminen machen Fahrschulen das Leben schwer. Im Zeitalter der leistungsstarken IT sind manche Dinge nicht zu verstehen. Stornierungen und Änderungen müssen mehr als drei Tage vor dem Prüftermin gemeldet werden. Ein ausgefallener Prüfling muß ebenfalls mindestens drei Werktage vor Prüftermin ausgetauscht werden. Ist das durch plötzlichen Ausfall nicht möglich bleibt der „heiß umkämpfte“ Prüfplatz unbesetzt. Telefonisch jemand aus dem zuständigen Bereich zu erreichen ist fast unmöglich.

Nach wie vor gibt es meiner Meinung nach immer noch eine enorme  Baustelle beim TÜV. Der gern benutzte Aspekt „Personalmangel“ könnte durchaus positiv verändert werden. In anderen Bereich machen EDV Syteme die Bearbeitung schneller. Warum ist an dieser Stelle das Gegenteil der Fall? es ist doch Ziel Vertrauen in die digitale Welt zu schaffen!

All dies sind Aussagen, die sich in Gesprächen mit Mitgliedern der unterschiedlichen lokalen Kreisverbände des Fahrlehrerverbands immer wiederholen. Es liegt also keine einzelne Meinung zu Grunde.
Redaktion Business-ON Stuttgart, Herausgeber Bernhard Eckert